Am 20.06.2020 trafen sich ca. 50 Lindener Bürgerinnen und Bürger um gemeinsam vor dem Rathaus auf die in Linden herrschenden verkehrspolitischen Missstände hinzuweisen.
Nach einer etwa 30-minütigen Eingangskundgebung sammelten sich alle Radfahrerinnen, um gemeinsam entlang der von einer Gießener Initiative geplanten RegioTram-Strecke nach Gießen zum dort stattfindenden Verkehrswende-Aktionstag zu fahren.
Die Route führte von der Konrad-Adenauer Straße in die Kurt-Schuhmacher Str. bis zum Nettokreisel, dann über die Großen-Lindener Straße in die Leihgesterner Straße und die Moltkestraße, anschließend in die Alte Heerstraße.
An der Einmündung in die Frankfurter Straße erfolgte der erste Zwischenstopp mit einer Schweigeminute für #Black lives matter (https://taz.de/Black-Lives-Matter- Protest-in-Deutschland/!5687873/) sowie einem anschließendem „Die in“ an diesem neuralgischen Punkt für Fußgänger und Fahrradfahrer. Hierbei wurden mit Kreide die Körperkonturen der Demonstartionsteilnehmer auf der Straße nachgezeichnet.
Von dort ging es weiter über die Gießener Pforte Richtung „Klein Linden“ (L3475). In Klein-Linden führte uns die Strecke über die Allendorfer Straße, den Friedhofsweg und von dort links in die Hauffstraße, um dann im weiteren Verlauf dann ca. 150m nach der Zusammenführung mit der Brüder-Grimm-Str. links auf den kleinen Parkplatz für eine etwa 10-minütige Pause einzutreffen. Dort lieferte Jörg Bergstedt Informationen über die Planung der RegioTram-Haltestelle sowie eine mögliche Anbindung der Stadt Gießen an die neu entstehende IC-Strecke von Frankfurt über Wetzlar nach Münster.
Weiter ging es dann über den Hegweg in den Brandweg zurück auf die Frankfurter Straße. Auf Höhe der dort angesiedelten Autohäuser wurden Informationen zum neu angelegten Fahrradweg kommuniziert und darauf hingewiesen, dass die Unterbrechung des Selbigen durch die Ladezone mehr als nur unglücklich ist. Von dort ging es über die Bahnschienen (geplanter Einmündungspunkt der RegioTram) in die Südanlage , um dann am Ludwigsplatz das Ziel der aus vier umliegenden Kommunen veranstalteten Sternfahrt zu erreichen.
Erhalt des Grünstreifens beim Bauprojekt „Am Bahnhof“ nicht ausreichend gesichert / Bebauungsplan lässt konkrete Angaben vermissen
GROSSEN-LINDEN (ee). Unklare Vorgaben zum Erhalt des Grünstreifens in der Sudetenstraße in Großen-Linden bemängelt die Klimainitiative Linden. Wie Dr. Sandra Herrmann mitteilt, wirft der aktuell sowohl physisch als auch online zur Einsicht ausliegende Bebauungsplan Nr. 68 – „Am Bahnhof“ Fragen auf, die die Klimainitiative als relevant erachtet. Hier plant die Revikon GmbH gemeinsam mit dem Architekturbüro Feldmann mit dem Projekt „Wohnen am Nahverkehr“ den Bau von 100 Wohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 65 Quadratmetern.
Laut Herrmann widerspricht jeder Eingriff in das bestehende Biotop dem vereinbarten Erhalt, zumal die natürlich gewachsene Fläche durch einen „landschaftspflegenden“ Eingriff einen Großteil ihrer Funktionalität für die dort heimische Pflanzen- und Tierwelt verlieren würde. Auch ein Blick in den Bebauungsplan selbst lässt vermuten, dass der Bürgerwille und die Vorstellungen des Bauherrn nicht übereinstimmen. „Zum einen fehlt im Bebauungsplan der entsprechende Hinweis auf den seitens der Bürgerinitiative Sudetenstraße, der Klimainitiative Linden und der von Bündnis90/Die Grünen geforderten, unbedingten Erhalt des Grünstreifens in seiner jetzigen unberührten Form, ohne Entfernung von Totholz, da dieses Biotop einen wertvollen Lebensraum für viele verschiedene Tierarten darstellt. Zudem ist der positive Einfluss dieser Fläche als Ausgleichsraum in Bezug auf Frischluftproduktion und Kaltluftentstehung für das belastete Stadtklima besonders zu berücksichtigen. Stattdessen jedoch ist der Bereich des Grüngürtels als privates Gelände eingezeichnet worden“, zeigt sich Herrmann verärgert. Zudem sei im Text die Rede „von 70 Prozent Blühwiese und 20 Prozent Bäumen, wobei auf Bäume wie Amberbaum und Ginko zurückgegriffen werden soll, welche hier nicht heimisch sind“.
Dies kollidiert aus Sicht der Klimainitiative Linden stark mit den öffentlich diskutierten Vorschlägen. Weiterhin beanstandet Herrmann, dass Hinweise auf den Schutz des Grünstreifens während der Bauarbeiten fehlen: „Weder ist zu entnehmen, wie die oberirdischen Bereiche gesichert werden sollen, noch finden sich Hinweise auf den Schutz des Wurzelwerks sowie auf die anschließende Sicherstellung von ausreichend unverschlossener Fläche, um eine natürliche Wasserversorgung des zu erhaltenden Bewuchses sicherzustellen. Auch hinsichtlich des ökologischen Bauens fehlen konkrete Angaben. Der Projektentwickler hatte bereits im Herbst klargestellt, dass sich dies nicht rechnen würde und somit bestenfalls ein Effizienzstandard KfW 55 angedacht sei. Hier muss aus Sicht der Klimainitiative eine deutlich höhere Energieeffizienz angestrebt werden. Zudem sollte es eine Verpflichtung zu Photovoltaik, Solarthermie und die Nutzung von Regenwasser geben.“ Allerdings sei auch festzuhalten, dass das Freiräumen des Bahngeländes durch den vorherigen Eigentümer bereits sehr viel Natur zerstört hat. Aufgrund der aktuellen Vorgaben fordert die Klimainitiative eine neuerliche Prüfung des Bauprojekts.
Aktivisten von People for Future, Scientists for Future, BUND, Extinction Rebellion, der Klimainitiativen aus Linden und Buseck zeigten auf dem Rathausplatz plakativ ihre Forderungen an die Politik.
GIESSEN„Wir wollen und müssen also zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen.“ So der kurzfristig verbreitete Aufruf zur Demo am Montagnachmittag vor dem Rathaus. Dass es eine Klimaneutralitätssatzung nicht geben soll, wollen zumindest die 120 Teilnehmer bei der Kundgebung auf dem Rathausplatz nicht hinnehmen. Aktivisten von People for Future, Scientists for Future, BUND, Extinction Rebellion, der Klimainitiativen aus Linden und Buseck und andere mehr zeigten plakativ ihre Forderungen an die Politik, lauschten den beiden 90 Minuten dauernden Redebeiträgen und unterstützten diese lautstark. Über Mikrofon sprachen Gerhard Keller und Lutz Hiestermann, zwei der Initiatoren des Bürgerantrages Gießen2035Null, Gießen bis 2035 klimaneutral zu machen.“Eigentlich möchte ich gar nicht hier sein.“ Er habe genug anderes zu tun, berichtete Gerhard Keller. „Aber vielleicht geht es euch so wie mir: Ich fühle mich von der OB und der Stadtregierung getäuscht.“ Es ging um den Bürgerantrag, dem das Stadtparlament vor über acht Monaten mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hatte. Gießen soll im Jahr 2035, also in 15 Jahren, klimaneutral sein. Das bedeutet saubere Luft, kein Kohlestrom, mehr Solarenergie und Autoverkehr raus aus der Stadt. Keller beklagte, dass es zwischen dem Start der Kampagne im Mai 2019 und dem Beschluss im September kein einziges Treffen mit der Stadtregierung gegeben habe. „Da kam auch keine einzige Anfrage vonseiten der Fraktionen; ob Grüne, SPD, CDU und die anderen.“ Lediglich sei in einem Gespräch mit OB und Rechtsamtsleitung die Akzeptanz von Online-Unterschriften geklärt worden.
Trotzdem hätten sie sich alle im September über den Beschluss gefreut. „Doch dann kam die kalte Dusche, die bittere Realität ist.“ Denn die Stadtregierung ignoriere die Initiative einfach. Keine Kommunikation bis in den Januar. „Im Dezember haben wir öffentlich kritisiert, dass der Magistrat nichts tut, um in der Öffentlichkeit für das Ziel der Klimaneutralität zu werben. Keine Veranstaltung, kein Hinweis auf der Homepage der Stadt, der Klimaschutzmanager nicht präsent.“ Da von der Stadtregierung aus nichts passiert sei, hätten sie mit der für Schulen und Hochbauamt zuständig Dezernentin Astrid Einbelshäuser einen Gesprächstermin im großen Kreis initiiert. Mit der Vereinbarung sei man auseinandergegangen, dass die Stadt Schulen benenne, auf deren Dächer Solarmodule installiert werden könnten. Doch trotz Nachfrage sei keine Information gekommen.
„Ist das die oft beschworene Bürgerbeteiligung in Gießen?“ fragte Keller in die Runde. „Wir arbeiten uns intensiv in verschiedene Fachgebiete ein, investieren mal wieder viel Energie und Zeit.“ Und dann werde die Kommunikation schlicht verweigert. Von Kooperation könne schon gar keine Rede sein. Das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis 2035 könne nur mit der Stadtgesellschaft erreicht werden. Eine Bürgerbeteiligung stünde zwar auf dem Papier, werde jedoch nicht gelebt, wenn sie in der Praxis nicht angewendet werde. „Warum verweigert sich dann die Stadtregierung einer Zusammenarbeit?“ Ob sie dieses Ziel überhaupt erreichen wolle, sei die Frage.
Bei einem Anfang März von Gießen2035Null initiierten Treffen im großen Kreis – mit Magistratsmitgliedern, den Fraktionsvorsitzenden der Koalition und 20 Organisationen – habe Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz versprochen, am 28. April Ergebnisse vorzustellen, wie Gießen Klimaneutralität erreichen kann. „Und jetzt will die OB diese Präsentation um fünf Monate rauszögern. Wegen Corona.“ Hintenherum hätten sie von der Verschiebung erfahren. Davon alarmiert habe Lutz Hiestermann am 28. April im Hessischen Rundfunk die Vertagung öffentlich scharf kritisiert. „Einen Tag später wurden wir dann von der Stadt offiziell darüber informiert.“ Die Klimainitiative habe klare Erwartungen an die OB und die Stadtregierung: „Wertschätzung und Kooperation statt Missachtung und Verweigerung. Und Ergebnispräsentation am 10. Juni.““Starke Signale der Stadt“, forderte Lutz Hiestermann. Im Haupt- und Finanzausschuss hätten sie Fragen gestellt gehabt. „Jede einzelne Antwort hätte genauso vor zwei Jahren gegeben werden können.“ So sei zur Verminderung des Kohlestromes, der in Gießen noch immer mehr als 30 Prozent betrage, die lapidare Antwort gekommen, dass ohne Kohlestrom sich die SWG aus dem Gewerbestromgeschäft zurückziehen müsse. „Kein einziger Politiker steht auf und sagt: Wir müssen da was tun.“ So habe er noch von nicht einem Kommunalpolitiker vernommen, dass dies eine Herzensangelegenheit für ihn sei. „Das fehlt in Politik und Verwaltung, um das Thema voranzutreiben.“ Nötig sei, aufgrund des Beschlusses vom September eine Satzung oder Ähnliches zu verabschieden, um die Verbindlichkeit des Zieles festzulegen. „Unverbindliche Verbindlichkeiten führen zu nix.“ Angeblich könne es keine Satzung geben, weil die Bürger nicht zur Klimaneutralität verpflichtet werden könnten. Diese Argumentation der OB sei schlicht falsch. „Entweder sie weiß es nicht besser. Oder sie weiß es und sagt es trotzdem falsch.“ Hiestermann erwartet von Grabe-Bolz eine eindeutige Klarstellung.
Am 20.06.2020 findet erneut ein Aktionstag zum Thema Verkehrswende statt, um auf die Dringlichkeit einer Veränderung im bisherigen Gießener Verkehrskonzept hinzuweisen.
Unter dem Motto „Tut das, von dem ihr träumt, was ihr gerne machen würdet, wenn da nicht die Autos wären!“ findet auf dem Ludwigsplatz und in der anschließenden Grünberger Straße ein Straßenfest als Werbung für eine Innenstadt ohne Autos, einen Umbau des Straßenraums für Spiel- und Aufenthaltsflächen und Fahrradstraßen sowie den Bau eines Straßenbahnnetzes statt.
Das Programm setzt sich aus Radsterntouren entlang der vorgeschlagenen RegionTram-Trassen, einem bunten Straßenfest, Polittalk mit Gießener Parteivertreter/innen, Fahrraddemo rund um den Anlagenring sowie einem Vortrag zu Erfahrungen mit der RegioTram in Kassel zusammen.
Auch die Klimainitiative Linden ist mit dabei und organisiert unter der Leitung von Dr. Sandra Hermann den südlichen Strahl der Fahrradsternfahrt. Gestartet wird 11:00 Uhr mit einer Auftaktkundgebung am Lindener Rathaus, um anschließend gemeinsam entlang der angedachten Straßenbahnlinie nach Gießen zu radeln. Da die Verkehrssituation für Radfahrer und Fußgänger in Linden selbst als desaströs bezeichnet werden kann, wird seitens der Klimainitiative mit vielen Lindener Teilnehmern gerechnet.
Klimainitiative Linden bemängelt unklare Vorgaben hinsichtlich der zu erhaltenden Grünfläche
Seit einigen Tagen liegt der Bebauungsplan Nr. 68 – „Am Bahnhof“ sowohl physisch als auch online zur Einsicht aus und wirft direkt Fragen auf, die die Klimainitiative als relevant erachtet.
So schreibt die Gießener Allgemeine zwar, dass der betreuende Architekt Felix Feldmann zusichert, dass der Grünstreifen erhalten bleibe, lediglich Totholz solle beseitigt und die Fläche in Zusammenarbeit mit einem Landschaftsarchitekten gepflegt sowie einzelne Bäume gefällt werden. Doch bereits dieser Eingriff in das bestehende Biotop widerspricht dem vereinbarten Erhalt, zumal die natürlich gewachsene Fläche durch einen „landschaftspflegenden“ Eingriff einen Großteil ihrer Funktionalität für die dort heimische Pflanzenwelt verlieren würde.
Doch auch ein Blick direkt in den Bebauungsplan lässt vermuten, dass der Bürgerwille und die Vorstellungen des Bauherrn nicht übereinstimmen.
Zum einen fehlt im Bebauungsplan der entsprechende Hinweis auf den seitens der Bürgerinitative Sudetenstraße, der Klimainitiave Linden und der Grünen geforderten, unbedingten Erhalt des Grünstreifens ohne Entfernung von Totholz, da dieses einen wertvollen Lebensraum für viele verschiedene Tierarten darstellt. Stattdessen ist der Bereich des Grüngürtels als privates Gelände eingezeichnet worden. Im Text dazu (TF – 2.4.1 + 2.6.1) ist zudem die Rede von 70% Blühwiese und 20% Bäumen, wobei auf Bäume wie Amberbaum und Ginko zurückgegriffen werden soll, welche hier nicht heimisch sind. Dies kollidiert aus Sicht der Klimainitiative Linden stark mit den öffentlich diskutierten Vorschlägen.
Zum anderen fehlen Hinweise auf den Schutz des Grünstreifens während der Bauarbeiten. Weder ist zu entnehmen, wie die oberirdischen Bereiche gesichert werden sollen, noch finden sich Hinweise auf den Schutz des Wurzelwerkes sowie die anschließende Sicherstellung von ausreichend unverschlossener Fläche, um eine natürliche Wasserversorgung des zu erhaltenden Bewuchses sicherzustellen.
Aber auch hinsichtlich des ökologischen Bauens fehlen konkrete Angaben. Revikon hatte bereits im Herbst klargestellt, dass sich das nicht rentiert und somit bestenfalls KfW 55 angedacht sei. Hier muss aus Sicht der Klimainitiative eine deutlich höhere Energieeffizienz angestrebt werden. Zudem sollte es eine Verpflichtung zu Photovoltaik, Solarthermie und die Nutzung von Regenwasser geben.
Zu guter Letzt darf nicht vergessen werden, dass das Freiräumen des Bahngeländes durch die Firma Stamm bereits sehr viel Natur zerstört hat. Die Natur hatte diese Fläche bisher gut zu nutzen gewusst, weshalb die sogenannten Industriebrachen bekanntermaßen als wertvolle Lebensräume angesehen werden. Welchen positiven Einfluss diese Fläche hatte – auch für das Mikroklima der Siedlung – lässt sich im Nachhinein leider nicht mehr ermitteln.
Hierbei handelt es sich nur um die vordinglichsten Punkte, die Liste der von uns bemängelten Abweichungen hinsichtlich der letzten Bürgerversammlung zu diesem Thema betreffend.
Wir als Klimainitiative Linden fordern daher Bürgermeister, Magistrat und Bauträger auf, die Pläne unter dem Gesichtspunkt der zugesicherten Erhaltung des Grünstreifens zu überprüfen sowie hinsichtlich der getroffenen Zusagen zu überarbeiten und mit den beteiligten Bürgerinitiativen einen weiteren Dialog zu suchen. Zusätzlich liegen zwischenzeitlich aktuelle Informationen den Ausbau der Bahnstrecke betreffend vor, die das geplante Projekt zur Gänze in Frage stellen. Um hier mögliche Fehlplanungen vergleichbar zum drohenden Baudesaster am Brückenbauwerk der A485 zu vermeiden, ist eine neuerliche Prüfung unabdingbar.
Am 25.05.2020 haben sich einige Aktive der Klimainitiative Linden gemeinsam mit vielen anderen Klimainteressierten in Gießen zu einer Spontandemonstration auf dem Rathausplatz getroffen, um gemeinsam auf die Dringlichkeit von Veränderungen in der Klima- und Verkehrspolitik aufmerksam zu machen.
Die Gießener Zeitung schreibt hierzu am 25.05.2020:
Gießener Klimaschutzinitiativen fordern Handeln der Stadt
Buseck | Die Stadtverordnetenversammlung Gießen stimmte im September 2019 dem Bürgerantrag der Initiative 2035Null zu, Klimaneutralität für die Stadt Gießen bis zum Jahr 2035 zu erreichen.
Im Wortlaut bedeutete das:
– Die Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 wird zum offiziellen Ziel der Stadt Gießen erklärt. – Dieses Ziel wird mittels einer Satzung oder eines anderen rechtlichen Instruments kurzfristig verbindlich festgelegt. – Um dieses Ziel zu erreichen, stellen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung alle erforderlichen Mittel (finanziell, organisatorisch, planerisch etc.) bereit bzw. entwickeln diese. – Die Bürgerschaft ist in diesen Prozess intensiv einzubeziehen und jährlich in öffentlichen Veranstaltungen über die in der Zwischenzeit entwickelten bzw. umgesetzten Maßnahmen, deren Effekte und noch erforderliche Maßnahmen zu informieren.
Aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen und Monate und der fortwährenden Untätigkeit der Stadt riefen die Gießener Klimaschutzinitiativen rund um 2035Null kurzfristig zu einer coronakonformen Demonstration vor dem Rathaus auf und ca. 80 Personen versammelten sich anlässlich der am 25.5.2020 um 16 Uhr stattfindenden Magistratssitzung zu einer Protestaktion. Die Magistratsmitglieder dürften hiervon wenig mitbekommen haben, denn schon kurz vor Beginn der Demonstration wurden alle Rollos des Stadtverordnetensitzungssaals heruntergelassen.
Als Redner gaben Gerhard Keller und Lutz Hiestermann einen chronologischen Überblick über die Ereignisse bzw. das Nichthandeln der Stadt Gießen seit dem Beschluss im September. Die Aktiven hätten Konzepte erarbeitet, immer wieder das Gespräch angeboten. Auf zahlreiche Anfragen an die Stadt wurde meist nicht reagiert, so z. B. die Frage nach Gebäuden, die im Rahmen einer Sanierung mit Solarmodulen ausgerüstet werden und so den Kohlestrom-Anteil der Stadtwerke senken könnten. Über die Einrichtung von Pop-Up-Radwegen oder die Einführung einer RegioTram wurde ebenfalls nicht diskutiert.
Am 6. März 2020 kamen Vertreter des Magistrats und der Regierungsfraktionen tatsächlich zu einer gemeinsamen Besprechung. Den Klimagruppen wurde der 28. April als Termin für die Vorstellung der Ergebnisse der städtischen Arbeits- und Lenkungsgruppen zugesagt. Auch wurde vereinbart, das Thema Klimaschutz stärker zu bewerben, in die Gesellschaft zu tragen und positive Aspekte sichtbar zu machen.
Doch Ende April wurde die Vorstellung der Ergebnisse ohne vorherige Information um 5 Monate verschoben. Aus Sicht der Initiativen ist dies nicht nachvollziehbar. Coronabedingt hätte man Verständnis für eine Verschiebung von 4-5 Wochen gehabt, aber nicht um 5 Monate, was ja auch dem Beschluss widerspricht, im Frühjahr 2020 einen Sachstandsbericht vorzulegen. Deswegen erwarte man eine Bekanntgabe der Ergebnisse spätestens am 10. Juni 2020.
Darüber hinaus sorgte der Verzicht auf eine Klimaneutralitätssatzung für Unmut. Der Beschluss allein sei nicht rechtlich bindend, wie man z. B. auch daran sehen könne, dass bereits in den 90er Jahren eine Halbierung des CO2-Ausstoßes der Stadt bis zum Jahr 2010 beschlossen wurde. Umgesetzt wurde dies bekanntlich nicht.
Besonders ärgerlich sei außerdem die Äußerung der Oberbürgermeisterin, man könne Klimaneutralität nicht „für alle Bürger“ vorschreiben. Denn es gehe ja gerade nicht um den privaten Konsum, für dessen CO2-Ausstoß auch gar keine Zahlen zur Verfügung stehen. Die zu erreichende Klimaneutralität beziehe sich nur auf die Bereiche Energie und Verkehr.
Ausdrücklich wurde der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit gedankt, der Protest richte sich an die politisch Verantwortlichen in Stadtverordnetenversammlung und Magistrat. Man wünsche sich Personen, die hinter dem Beschluss vom September stehen und die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen vorantreiben. Bürgerinnen und Bürger müssten endlich aktiv eingebunden werden. Derzeit lasse man sie am ausgestreckten Arm verhungern.