Am 25.05.2020 haben sich einige Aktive der Klimainitiative Linden gemeinsam mit vielen anderen Klimainteressierten in Gießen zu einer Spontandemonstration auf dem Rathausplatz getroffen, um gemeinsam auf die Dringlichkeit von Veränderungen in der Klima- und Verkehrspolitik aufmerksam zu machen.
Die Gießener Zeitung schreibt hierzu am 25.05.2020:
Gießener Klimaschutzinitiativen fordern Handeln der Stadt
Buseck | Die Stadtverordnetenversammlung Gießen stimmte im September 2019 dem Bürgerantrag der Initiative 2035Null zu, Klimaneutralität für die Stadt Gießen bis zum Jahr 2035 zu erreichen.
Im Wortlaut bedeutete das:
– Die Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 wird zum offiziellen Ziel der Stadt Gießen erklärt.
– Dieses Ziel wird mittels einer Satzung oder eines anderen rechtlichen Instruments kurzfristig verbindlich festgelegt.
– Um dieses Ziel zu erreichen, stellen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung alle erforderlichen Mittel (finanziell, organisatorisch, planerisch etc.) bereit bzw. entwickeln diese.
– Die Bürgerschaft ist in diesen Prozess intensiv einzubeziehen und jährlich in öffentlichen Veranstaltungen über die in der Zwischenzeit entwickelten bzw. umgesetzten Maßnahmen, deren Effekte und noch erforderliche Maßnahmen zu informieren.
Aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen und Monate und der fortwährenden Untätigkeit der Stadt riefen die Gießener Klimaschutzinitiativen rund um 2035Null kurzfristig zu einer coronakonformen Demonstration vor dem Rathaus auf und ca. 80 Personen versammelten sich anlässlich der am 25.5.2020 um 16 Uhr stattfindenden Magistratssitzung zu einer Protestaktion. Die Magistratsmitglieder dürften hiervon wenig mitbekommen haben, denn schon kurz vor Beginn der Demonstration wurden alle Rollos des Stadtverordnetensitzungssaals heruntergelassen.
Als Redner gaben Gerhard Keller und Lutz Hiestermann einen chronologischen Überblick über die Ereignisse bzw. das Nichthandeln der Stadt Gießen seit dem Beschluss im September. Die Aktiven hätten Konzepte erarbeitet, immer wieder das Gespräch angeboten. Auf zahlreiche Anfragen an die Stadt wurde meist nicht reagiert, so z. B. die Frage nach Gebäuden, die im Rahmen einer Sanierung mit Solarmodulen ausgerüstet werden und so den Kohlestrom-Anteil der Stadtwerke senken könnten. Über die Einrichtung von Pop-Up-Radwegen oder die Einführung einer RegioTram wurde ebenfalls nicht diskutiert.
Am 6. März 2020 kamen Vertreter des Magistrats und der Regierungsfraktionen tatsächlich zu einer gemeinsamen Besprechung. Den Klimagruppen wurde der 28. April als Termin für die Vorstellung der Ergebnisse der städtischen Arbeits- und Lenkungsgruppen zugesagt. Auch wurde vereinbart, das Thema Klimaschutz stärker zu bewerben, in die Gesellschaft zu tragen und positive Aspekte sichtbar zu machen.
Doch Ende April wurde die Vorstellung der Ergebnisse ohne vorherige Information um 5 Monate verschoben. Aus Sicht der Initiativen ist dies nicht nachvollziehbar. Coronabedingt hätte man Verständnis für eine Verschiebung von 4-5 Wochen gehabt, aber nicht um 5 Monate, was ja auch dem Beschluss widerspricht, im Frühjahr 2020 einen Sachstandsbericht vorzulegen. Deswegen erwarte man eine Bekanntgabe der Ergebnisse spätestens am 10. Juni 2020.
Darüber hinaus sorgte der Verzicht auf eine Klimaneutralitätssatzung für Unmut. Der Beschluss allein sei nicht rechtlich bindend, wie man z. B. auch daran sehen könne, dass bereits in den 90er Jahren eine Halbierung des CO2-Ausstoßes der Stadt bis zum Jahr 2010 beschlossen wurde. Umgesetzt wurde dies bekanntlich nicht.
Besonders ärgerlich sei außerdem die Äußerung der Oberbürgermeisterin, man könne Klimaneutralität nicht „für alle Bürger“ vorschreiben. Denn es gehe ja gerade nicht um den privaten Konsum, für dessen CO2-Ausstoß auch gar keine Zahlen zur Verfügung stehen. Die zu erreichende Klimaneutralität beziehe sich nur auf die Bereiche Energie und Verkehr.
Ausdrücklich wurde der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit gedankt, der Protest richte sich an die politisch Verantwortlichen in Stadtverordnetenversammlung und Magistrat. Man wünsche sich Personen, die hinter dem Beschluss vom September stehen und die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen vorantreiben. Bürgerinnen und Bürger müssten endlich aktiv eingebunden werden. Derzeit lasse man sie am ausgestreckten Arm verhungern.
Quelle: http://www.giessener-zeitung.de/buseck/beitrag/133746